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26.02.19|Die Leiche vor dem Komposthaufen

veröffentlicht am: 26-02-2019
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Die Leiche vor dem Komposthaufen

Bei einer Jänkendorfer Familie lag ein zerfleischter Wolf im Garten. Manche Nachbarn fürchten sich jetzt.

Spitzengardinen zieren die Fenster, ein Blumenstrauß die Küchenanrichte, Schnörkel das kastanienbraune Tor. Familie B. hat sich inmitten der Natur eine Idylle aufgebaut. Am Rande von Jänkendorf, den Wald in Blick- und Hörweite. Manchmal, sagt der 46-jährige Familienvater, hat er die Wölfe schon heulen hören. Gesehen hat er sie noch nie. Bis letzten Donnerstag.

Herr B., der seinen Namen aus beruflichen Gründen nicht öffentlich nennen möchte, marschiert mit dem Biomüll zur Hintertür heraus. Eine orangefarbene Holzbrücke führt vom Garten über einen Bach zu dem Komposthaufen. Es ist 16 Uhr. B.s Schritte stocken vor dem Ziel. Ein Hindernis liegt ihm zu Füßen. Es blutet und trägt Fell. Es ist der erste Wolf, den er in seinem Garten sieht. „Im ersten Moment war ich mir nicht sicher, ob er tot ist“, sagt B. „Bei näherem Hinsehen war klar, dass er nicht mehr atmet.“ B. verständigt die Polizei und das Wolfs-Kontaktbüro Lupus.

 

Anfangs ist unklar, ob ein Mensch oder ein Artgenosse das unter Naturschutz stehende Tier zerfleischt hat. Es kommt zur Untersuchung nach Berlin. Todesursache: „Massive Bissverletzungen“, so das Wolfsbüro. „Wölfe sind sehr territorial“, sagt Projektleiterin Vanessa Ludwig. Besonders zur Paarungszeit. Auch wenn ein Wolf aktiv ein Rudel übernehmen möchte, könne es zu Kämpfen kommen. Aber nur selten. Wegen des hohen Risikos, verletzt oder getötet zu werden. „Solche Risiken versuchen Wildtiere zu meiden.“

Vier bis fünf Jahre soll der Wolf alt gewesen sein, mit einer Schulterhöhe von 80 Zentimetern. „Es ist schade und sehr traurig für das Tier“, sagt B. „Andererseits ist es bedenklich, wie nah so ein Wildtier an die Zivilisation herankommt, wenn es verletzt ist.“ B. und seine Frau haben nichts gegen Wölfe, sagen sie. „Ich bin der Auffassung, dass sie für den Menschen unproblematisch sind, solange man sie in Ruhe lässt.“

Ein paar Häuser weiter unterhält sich Familie Schmidt beim Mittagessen über Wölfe. Die früheren Landwirte leben auf einem Hof, manche ihrer Kinder, Enkel und Urenkel in Laufweite. Ein ausgestopfter Fuchs wacht über den Wohnraum, es gibt Spiegeleier mit Spinat und Rührei. Um ihre Urenkel würden sie sich sorgen, sagen die Rentner, wenn die Wölfe dem Dorf so nahe kämen. „Auf der Straße will man die Kinder nicht unbedingt sehen“, sagt Günther Schmidt. „Dass die Wölfe so hochgehandelt werden, ist überdimensioniert. Es gibt Leute, die Wölfe vernichten wollen. Wir aber nicht.“ Problematisch seien nicht nur die Wölfe, sondern das ganze Ungleichgewicht der Natur. Pestizide, Monokulturen, die Trockenheit im vergangenen Sommer.

Manche Vogelart begegne einem überhaupt nicht mehr. „Solange es Rehe gibt, will der Wolf uns nicht. Aber es werden immer weniger. Früher standen manchmal 30, 40 auf der Wiese. Jetzt sind es noch drei oder vier.“ Schwägerin Traude guckt von ihrem Teller hoch: „Naturbedingt hat man vor Wölfen keine Angst als Mensch, sie sind keine Feinde“, sagt sie. „Das Problem ist der Mensch, der sich in alles einmischt.“

Hans Ryser sieht das ähnlich. „Ich bin ein sehr naturverbundener Mensch“, sagt das 86-jährige Naturschutzbund-Mitglied. „Der Wolf könnte da sein. Wenn er sich ordentlich verhält, tut er dem Menschen nichts, er ist ein scheues Tier. Aber wie er sich jetzt vermehrt, das ist nicht gut. Wahrscheinlich müsste man doch ein paar abschießen, um zu regulieren.“ Der Zustand der Umwelt betrübe Ryser. Lerchen sehe er nicht mehr, Fasane oder Mufflons auch nicht. „Den Wolf sehe ich manchmal dort laufen“, sagt er und deutet Richtung Wald.

Azubi Florian sieht die Wölfe eher auf dem Feld vor dem Haus. Ein Schild warnt vor dem gefährlichen Hund, der die Familie hüte. Auch der, sagt der 18-jährige Jänkendorfer, habe Angst vor Wölfen. „Ich gehe abends gar nicht mehr raus“, sagt Florian beim Döner-Mittagessen. Der vermeintlich gefährliche Hund hat seinen Wachposten in der Hoffnung auf Grillfleisch verlassen.

Fünf oder sechs Wölfe will Florians Vater vergangene Woche balgen gesehen haben. Auf dem Feld vor dem Haus, nachts um 2 Uhr. Möglicherweise die Vorstufe zu dem Todesbiss. „Sind echt schöne Tiere, aber ich wäre dafür, sie zu töten“, sagt Florian. „Welchen Nutzen bringen die schon? Richten nur Schaden bei den Bauern an, die eh schon wenig Geld haben.“ Vanessa Ludwig vom Wolfsbüro sagt, dass Wölfe, die sich Menschen nähern, nicht gefährlicher seien als Wildnis-Bewohner. Jungwölfe trauten sich durch Neugierde und Naivität näher heran. Wichtig sei, dass sie „keine direkten positiven Erfahrungen, zum Beispiel durch Futter, mit der Nähe von Menschen verknüpfen.“ 

Quelle: www.sächsische.de/görlitz

Zuletzt geändert am: 27-02-2019 um 00:48

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